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MATHILDAS BRIEF AN XAVER AM 21. SEPTEMBER 1980





 

Mein lieber Xaver!

 

Ich sitze unter der mächtigen Silberpappel, auf der Du als Kind herumgeklettert bist und der Du als Neunjähriger den Namen»Gabriel«gabst, nach dem Erzengel Gabriel, der in Deiner Geschichte eine wichtige Rolle spielte. Der Wind weht leicht durch Gabriels silbrige Blätter und bringt eine leise Musik hervor. Alles ist grün und ruhig hier, das Haus ist auf einer Anhöhe und man sieht unter sich nur Wiesen und Wälder, in der Ferne sieht man den kleinen Kirchturm, es ist fast kitschig, so idyllisch ist es hier.

 

In ein paar Jahren (vielleicht zehn?) wird unser Sohn hier auf Gabriel herumklettern, vielleicht auch einmal herunterfallen und weinend zu dir, mir oder seiner Großmutter laufen, um getröstet zu werden. Der Junge heißt Julius oder Julian und sieht eindeutig mir ähnlich. Seine Schwester, die Carolina oder Eleonore heißt, ist ganz der Papa, sie hat Deine Wangengrübchen, Deine dichten, dunklen Locken und grünen Augen geerbt. Sie ist die Aufgewecktere von den beiden, wohingegen Julius/Julian der Besonnene und Ernsthafte ist. Er will einmal Schriftsteller werden wie sein Vater. Das Mädchen will, und das redete ihm die Großmutter ein, ein großes Schuhgeschäft eröffnen, die Schuhe dafür will es selber entwerfen. Jeden Abend stöckelt die kleine Carolina/Eleonore mit den roten Lackschuhen ihrer Oma vor uns auf und ab und wir brechen fast nieder vor lauter Lachen. Wir sitzen auf der Terrasse, essen zu Abend und lachen. Du bist mittlerweile ein bekannter Schriftsteller, Deine Bücher verkaufen sich gut und ich arbeite ein paar Stunden als Deutschlehrerin in der nächsten Stadt. Deine Mutter hilft mir im Haushalt und bei den Kindern, und wir verstehen uns alle gut.

 

Du schreibst oft bis in die Nacht hinein und ich lese im Bett. Wenn es mir zu lange dauert, komme ich zu Dir in das Arbeitszimmer, ich setze mich rittlings


auf Deinen Schoß und küsse Dich. Ich bedecke Dein Gesicht mit tausend kleinen Küssen, bis ich Deinen Mund finde. Deine Küsse sind warm und schmecken nach Milchreis. Ich ziehe Dir Deinen Pullover aus, während Du versuchst, die elektrische Schreibmaschine auszuschalten. Mit meinen Fingerkuppen fahre ich über Deine goldbraune, weiche Haut, fahre über die Schulter über die Achsel bis zu Deinen Brustwarzen und weiter bis zum Nabel. Du schiebst den Stuhl zurück, stehst mit mir auf, ich habe meine Beine um Deinen Rücken geschlungen. Du gehst mit mir im Raum auf und ab, während wir uns wieder und wieder küssen. Du legst mich auf den Perserteppich Deines Großvaters und wir lieben uns.

 

Am nächsten Tag frühstücken wir alle fünf auf der Terrasse. Es ist harmonisch.

 

So wird es sein. Ich freue mich auf unsere Zukunft.

 

Mathilda


 

MATHILDAS BRIEF AN XAVER AUS DEM

 

KRANKENHAUS

 

Mein lieber Xaver!

 

Ich diktiere diesen Brief meiner Freundin Silvia, da ich zu schwach bin, um selber zu schreiben und da ich mir auch beim Sprechen schwertue, wird der Brief nur kurz sein.

Am 14. Oktober, an dem Tag also, an dem du das Metallkästchen mit Dorothys Briefen und meinen Text fandest – das ist kein Scherz!! –, erhielt ich im Krankenhaus die Diagnose, dass ich an Brustkrebs erkrankt bin und nicht mehr lange zu leben habe. (Ja, so wie du es dir im Schluss für meine Geschichte ausgedacht hast!) Es klingt jetzt vielleicht eigenartig, aber der erste Gedanken, den ich hatte, war:»Es ist gut so, wie es ist!«, und der zweite Gedanke, der kam, war:»Ich möchte noch einmal Xaver sehen.«

 

Ein paar Tage zuvor hatte mir meine Bekannte Anita, die im Landesschulrat arbeitet, von dem geplanten Projekt»Schüler/in trifft Autor/in«erzählt und gesagt, dass zurzeit dafür österreichische Schriftsteller gesucht und angeschrieben werden. Nachdem ich die Diagnose erhalten hatte, bat ich sie, auch bei dir anzufragen, ob du bei dem Projekt mitmachen möchtest. Als sie deine positive Antwort erhielt, traf ich sie und sagte ihr, sie solle mir den Gefallen tun und dich meiner Schule zuweisen. (Auch das hast du dir ausgedacht, hast du es denn geahnt?) Jetzt, nachdem ich deinen Brief gelesen habe, verstehe ich auch ihr verschmitztes Lächeln und ihre Frage:»Na, eine alte Liebe?«Mehr sagte sie nicht, ich wusste also nicht, dass du vorher um dasselbe gebeten hast. Wir wollten uns also beide unbedingt wiedersehen und wollten, dass es jeweils der andere für einen Zufall hält! Ich musste lachen, als ich das in deinem Brief las.

 

Ich erzählte dir nichts von meiner Krankheit, es wäre mir unangenehm gewesen, wenn du gewusst hättest, dass ich nicht mehr lange lebe und dich


deshalb wiedersehen wollte. Ich glaube, auch für dich wäre es unangenehm gewesen. Du hättest vielleicht nicht gewusst, wie du mit mir umgehen sollst, das wollte ich auf alle Fälle verhindern.

 

Auch ich freute mich wahnsinnig auf unser Wiedersehen. Auch ich sehnte mich mit aller Kraft danach, dir noch einmal gegenüberzustehen, dich zu umarmen, mit dir ein Glas Wein zu trinken, mit dir wie in alten Zeiten gemeinsam zu kochen, deine Geschichten zu hören und dir welche zu erzählen, mit dir zu reden und zu lachen. Auch ich habe die Tage mit dir sehr genossen, es gab nur einen Unterschied: Ich wusste, dass es das letzte Mal sein würde.

 

Zu deinem neuen Leben ohne die quälenden Geister der Vergangenheit wünsche ich dir viel Glück, Xaver, ich liebte dich immer.

Deine Mathilda


EPILOG

 

 

Gesendet: 25. Juni 2012

 

Von: Kulturservicestelle des Landes Tirol

 

Liebe Deutschlehrer/innen!

 

Die Kulturservicestelle möchte sich ganz herzlich für das Engagement aller beteiligten Deutschlehrerinnen und Deutschlehrer beim Projekt»Schüler/in trifft Autor/in«bedanken! Das Feedback der Autor/inn/en war durchwegs sehr positiv und eine Wiederholung im nächsten Jahr wurde bereits erbeten. Die Werke der Workshopteilnehmer/innen wurden gesammelt und gegenwärtig ist eine fünfköpfige Jury (bestehend aus fünf Autor/inn/en, die beim Projekt beteiligt waren) dabei, die besten davon auszuwählen. Sie werden in einem Buch erscheinen und im Herbst vorgestellt. Der Termin wird noch bekannt gegeben.

 

Wir wünschen Ihnen allen erholsame Ferien und einen motivierten Start im September!

Herzlich,

 

Mag. Anita Tanzer


 

EIN AUSZUG AUS DEM BUCH»DAS SIND WIR!«HERAUSGEBER: KULTURSERVICE DES LANDES TIROL

 

 

Unsere Deutschlehrerin

 

Unsere Deutschlehrerin hieß Mathilda Kaminski. Sie unterrichtete uns fünf Jahre lang in Deutsch und außerdem war sie unser Klassenvorstand. Sie war eine gute Lehrerin, die immer ein offenes Ohr für uns und unsere Probleme hatte. Ihr Unterricht war abwechslungsreich und nie langweilig. Wir lasen viel und diskutierten über die Bücher, wir gingen ins Theater, machten Rollenspiele. In der Unterstufe, wenn wir Rechtschreib- und Grammatikthemen durchmachten, bereitete sie aufwendige Freiarbeiten vor, weil wir offenes Lernen gerne mochten. Sie gestaltete jedes Jahr eine Lyrikwerkstatt für uns und unsere verfassten Gedichte ließ sie immer in einer Broschüre drucken und jede Schülerin bekam eine. Sie tat so viel für uns. Oft, wenn wir gemeinsam ein Buch lasen und eine Stelle lag ihr besonders auf dem Herzen, ließ sie sich vor lauter Begeisterung hinreißen und rief:»Lasst euch das doch auf der Zunge zergehen, Mädels, ist das nicht köstlich?«Jedes Mal, wenn ich ein Buch lese und es mir gefällt, muss ich an dieses»Ist das nicht köstlich?«von Frau Kaminski denken. Sie war immer flott gekleidet und dezent geschminkt, was uns Mädels sehr gefiel. Man schätzte sie wirklich zehn Jahre jünger. Sie war immer gut drauf, ihre fröhliche und positive Art riss uns mit. Alles war nur noch halb so schlimm, nachdem man es mit ihr besprochen hatte.

 

Im letzten Winter bekamen wir mit, dass es Frau Kaminski nicht gut ging, sie wurde immer dünner und blieb manchmal zu Hause. Vorher war sie kaum einmal im Krankenstand gewesen, deshalb wunderten wir uns darüber. Wir fragten sie auch und sie antwortete, dass es mit ihrer Gesundheit zu tun habe, aber mehr sagte sie nicht. Wir wussten nicht, dass sie an Krebs erkrankt war und nicht mehr lange zu leben hatte.


 

Anfang März fand an unserer Schule ein Schreibworkshop statt, den ein bekannter Jugendbuchautor leitete. Insgesamt dreißig Schülerinnen von der Oberstufe nahmen daran teil, von unserer Klasse waren es mit mir fünf, die sich dafür angemeldet hatten. Der Schriftsteller hieß Xaver Sand. Ich kannte seine Bücher Engelsflügel, Engelskind und Engelsblut, weil uns Frau Kaminski in der dritten Klasse einmal davon erzählt hatte. Daraufhin hatte ich sie mir in der Stadtbücherei ausgeliehen und gelesen. Sie gefielen mir sehr gut.

 

Dieser Schriftsteller war wie Frau Kaminski vierundfünfzig Jahre alt. Von Anfang an spürte ich, dass da irgendetwas zwischen den beiden war oder noch immer ist. Ich spürte eine prickelnde Spannung zwischen den beiden. Es war die Art, wie sie sich ansahen und miteinander umgingen, es wirkte irgendwie so sehnsüchtig. Mir fiel auch auf, dass sie sich ein bisschen ähnlich sahen, und meine Mutter hatte mir einmal erzählt, die Gesichtszüge von Menschen, die lange zusammenleben, würden sich immer ähnlicher. Außerdem sprachen sie gleich! Als Susanna von der Parallelklasse ihre Kurzgeschichte vorlas, sagte Herr Sand plötzlich bei einer Stelle laut:»Mein Gott, ist das köstlich!«Wir zuckten alle zusammen und schauten zu Frau Kaminski hinüber, die unsere Blicke aber nicht bemerkte, weil sie gerade Herrn Sand ansah. Mit einem besonderen Lächeln im Gesicht.

 

Niemand wusste etwas Genaues über die beiden und wir wurden immer neugieriger. Wir fragten Frau Kaminski, ob sie Herrn Sand erst jetzt beim Workshop kennengelernt habe oder schon länger kenne. Sie antwortete offen, dass sie früher in Wien lange Zeit befreundet gewesen seien. Damit ging unter uns Schülerinnen die Gerüchteküche natürlich los. Wir malten uns alles Mögliche über die zwei aus.

 

Der Schreibworkshop war wirklich interessant und spannend. Zum Schluss gab es eine Lesung, die Frau Kaminski organisiert hatte und zu der die Eltern eingeladen worden waren. Die Schülerinnen lasen ihre Texte vor und das Ganze wurde von Frau Kaminski und Herrn Sand moderiert, sie waren dabei echt witzig.

Am 5. Mai starb Frau Kaminski im Krankenhaus und am 18. Mai fand das

 

Begräbnis statt. Alle Klassen, die sie unterrichtet hatte, kamen zu ihrem

 

Begräbnis, alle Lehrer und auch die Direktorin. Die Kirche war mehr als voll!


Die Messe war sehr berührend und alle weinten. Viele ihrer Schülerinnen, auch ich, lasen Texte vor. Wir, ihre Klasse, die 5a, sangen Frau Kaminskis Lieblingslieder, auch wenn sie nicht so sehr zu einer Begräbnismesse passten.

 

Auf dem Friedhof bemerkte ich plötzlich einen Polizisten und neben ihm stand Herr Sand, der Schriftsteller. Er stand weit hinten und starrte auf den Sarg, der gerade vom Pfarrer gesegnet wurde. Unendlich traurig sah er aus. Unter uns ging natürlich sofort ein Getuschel los und alle schauten zu ihm zurück. Wir waren sehr aufgeregt, als wir ihn da hinten stehen sahen! Es war alles so spannend und geheimnisvoll für uns. Wir hatten seinen Namen in den Wochen nach dem Workshop oft in Zeitungen gelesen und im Fernsehen gehört. Herr Sand hatte sich selbst gestellt, weil er damals bei der Entführung seines Sohnes nicht die Wahrheit gesagt hatte. Er war dann plötzlich ganz unvorhergesehen von der Staatsanwaltschaft in München wegen Mordes angeklagt worden, was aber aufgrund von mangelnden Beweisen fallen gelassen werden musste. In der Gerüchteküche hatte es natürlich heftig gebrodelt. Es wurde auch geredet, dass Frau Kaminski ihn überredet hätte, sich endlich zu stellen.

 

Kurze Zeit nach dem Workshop, der für sie sehr anstrengend gewesen sein muss, kam Frau Kaminski ins Krankenhaus. Wir wechselten uns am Anfang mit Besuchen ab, bis ein Arzt und eine Krankenschwester uns nahelegten, nicht mehr zu kommen. Es geht dem Ende zu, sagten sie und Frau Kaminski wollte nicht, dass wir sie in diesem Zustand sehen, sie wollte, dass wir sie anders in Erinnerung behielten, nämlich als unsere Deutschlehrerin, nicht als sterbende Frau.

 

Nach ihrem Tod kam noch eine Geschichte auf: Frau Kaminski war in den Armen des Schriftstellers gestorben. Herr Sand wurde von der Krankenschwester angerufen und bekam Freigang aus dem Gefängnis. Er schaffte es gerade noch rechtzeitig ins Krankenhaus und sie durften dann ganz alleine sein.

 

Für mich ist es keine Geschichte, für mich ist es die Wahrheit.


 

Valentina, 15 Jahre, 5a


 







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